Belege für die Wirksamkeit der GDCF-Diät

Es gibt mehrere Studien und viele Erfahrungsberichte, die Hinweise darauf geben, dass eine Diät, bei der strikt auf Casein und Gluten verzichtet wird, Autismus-Symptome lindern kann und den sogenannten “Brain Fog” beseitigt.

Der wohl bekannteste und einflussreichste Erfahrungsbericht aus dem Jahre 2002 stammt von einem amerikanischen Asperger-Teenager (damals 12 Jahre alt!), der ganz erheblich positive Effekte nicht nur bei sich selbst, sondern vor allem bei seinem stark betroffenen kleinen Bruder beobachten konnte, nachzulesen in dem Buch “A User Guide to the GF/CF Diet for Autism, Asperger Syndrome and AD / HD” (Luke Jackson). Dieser Bericht gab einen wichtigen Impuls für die Erforschung der Zusammenhänge von Darm-Mikrobiom und Gehirn. Auch das Zentrum der Gesundheit weist darauf hin, dass eine Darmsanierung helfen kann und hat sich mit dem Leaky Gut Syndrom beschäftigt. Der GFCF-Ansatz ermöglicht eine nachhaltige Sanierung ohne Hilfe der Medizin.

Zwar ist die Studienlage derzeit leider noch immer nicht ausreichend. Es zeigten sich aber trotz des hohen Aufwandes in der Durchführung wiederholt positive Ergebnisse in verschiedenen Metaanalysen.

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Piwowarczyk A, Horvath A, Łukasik J, Pisula E, Szajewska H. Gluten- and casein-free diet and autism spectrum disorders in children: a systematic review. Eur J Nutr. 2018 Mar;57(2):433-440. doi: 10.1007/s00394-017-1483-2. Epub 2017 Jun 13. PMID: 28612113.
Keller, A.; Rimestad, M.L.; Friis Rohde, J.; Holm Petersen, B.; Bruun Korfitsen, C.; Tarp, S.; Briciet Lauritsen, M.; Händel, M.N. The Effect of a Combined Gluten- and Casein-Free Diet on Children and Adolescents with Autism Spectrum Disorders: A Systematic Review and Meta-Analysis. Nutrients 2021, 13, 470. https://doi.org/10.3390/nu13020470
Quan L, Xu X, Cui Y, Han H, Hendren RL, Zhao L, You X. A systematic review and meta-analysis of the benefits of a gluten-free diet and/or casein-free diet for children with autism spectrum disorder. Nutr Rev. 2022 Apr 8;80(5):1237-1246. doi: 10.1093/nutrit/nuab073. PMID: 34617108; PMCID: PMC8990762.

Nähere Informationen zur GFCF-Diät findest du u. a. bei den eatr Lebensmittelvorschlägen zur GFCF-Diät.

Erfahrungen aus einem extrem betroffenen Haushalt

Hier kommt ein Erfahrungsbericht aus einem 2-Personen-Haushalt, in dem ein junger Erwachsener lebt, der ganz besonders unter seinem Autismus leidet. Es handelt sich um einen sogenannten “atypischen” Autismus, der im Autismusspektrum irgendwo zwischen dem frühkindlichen Autismus und dem Asperger-Syndrom einzuordnen ist (wenn man sich nach dieser inzwischen nicht mehr verwendeten Definition richten möchte).

Die ganze Familie ist unmittelbar betroffen, denn es kam in den letzten 10 Jahren zu massiven aggressiven Impulsdurchbrüchen, weil der autistische junge Mann seine starken Anfälle – verursacht durch Reizüberflutung oder Frust in Verbindung mit Grübelzwang – nicht kontrollieren konnte. Polizei und Rettung mussten mehrmals monatlich gerufen werden und er war oft in der geschlossenen Psychiatrie untergebracht. Dort waren es insbesondere Lieferbestellungen von Fast Food, die die einzigen freudigen Erlebnisse für den jungen Autisten waren. Psychiater / Neurologen, Psychologen, Sozialhelfer, Familie – alle waren an ihre Grenzen gestoßen. Die Abwärtsspirale hatte in diesen 10 Jahren nie an Dynamik verloren und wenn man von einem Systembrecher sprechen konnte, dann hier.

Da die Aggressionen auch vom persönlichen Empfinden abhingen und damit vor allem durch depressive Schübe, mangelndes Selbstwertgefühl und Motivationsmangel begünstigt wurden, musste an all diesen Fronten gearbeitet werden. In ihrer Not hat die alleinerziehende Mutter dann all verfügbaren Register gezogen. U. a. hat sie ihren Teilzeitjob aufgegeben, um ihrem Sohn permanent als Ansprechpartnerin zur Verfügung zu stehen, um Grübeln und Hineinsteigern rechtzeitig zu verhindern und weitere Unterstützung zu integrieren. Beispielsweise müsssen die Familienmitglieder und das weitere Umfeld für eine halbwegs funktionierende Struktur permanent aktiv eingebunden werden (an Job und Besuch von Gruppenaktivitäten war gar nicht erst zu denken – die Angst vor Chaos, Verletzung und Zerstörung schwebte die ganze Zeit mit). Medikamente wurden wieder reduziert (das Ausschleichen dauerte Jahre), weil sie offensichtlich keine helfenden Effekte hatten. Im Anschluss an Anfälle wurden unzählige stundenlange Gespräche (in Richtung meta-kognitive Psychologie) zwischen Mutter und Sohn geführt, die dazu führten, dass der junge Mann sich selbst, seine Gedanken und Gefühle extrem präzise orten und beschreiben und auch Ursachen erkennen konnte. Weiterhin konnten endlich wirksame Anreizsysteme etabliert werden, die Lesen und Bewegung betreffen.

Und nicht zuletzt wurde eine GFCF-Diät eingeführt. Das war erst nach vielen Monaten Verbesserung der Selbstreflexion möglich, denn vorher hat der junge Mann keinerlei Selbstdisziplin aufbringen können, weil die Einsicht in die Notwendigkeit nicht von Innen kam und die Selbstdisziplin ja durch den Autismus selbst schon eher ein Ding der Unmöglichkeit war.

Um eine konsequente Umsetzung zu vereinfachen, wurde die Diät für den gesamten Haushalt eingeführt. Das ging sehr einfach, weil sowieso schon aus Darmverträglichkeitsgründen weitestgehend auf Milch und Weizen verzichtet wurde. Um kein Risiko einzugehen, wurden ab sofort – soweit es ging – nur noch Bio-Produkte (insbesondere beim Fleisch) gekauft, um den Einfluss von Schadstoffen und Hormonen ebenfalls auszuschließen.

Es hat rund 2 Jahre gedauert, bis das vermeintlich Unmögliche möglich wurde und ein stabiles Gleichgewicht ohne Aggressionen gefunden war. Immer, wenn eine längere positive Phase zu beobachten war, hatte man automatisch des öfteren “Cheat-Days” (Schummeltage) erlaubt – auch um einer Mangelernährung entgegenzuwirken. Auf diese Weise waren dann zumindest Stimmungsschwankungen mit den Essensgewohnheiten in Verbindung zu bringen.

Da die Familie keine “Studie” durchgeführt hat, bei der die Effekte der einzelnen Faktoren getrennt voneinander ermittelt werden können, kann das Ergebnis nicht eindeutig auf die GFCF-Diät zurückgeführt werden.

Fazit: Eine durchweg positive Bilanz

Im Nachhinein finden sich viele Hinweise auf die Wirksamkeit und damit die Relevanz des Verzichts auf Gluten, Kasein und Schadstoffe:
Leichte Rückfälle (Mismutigkeit, Grübel- und Wutanfälle o.ä.) oder das Gefühl von “Brain Fog” konnten immer auch mit einem möglichen Gluten- oder Kaseinschub oder Fertigprodukten mit potentiellen Zusatzstoffen am Vortag in Zusammenhang gebracht werden.

Insgesamt konnten innerhalb der 2 Jahre folgende Fortschritte beobachtet werden:

  • Anfälle (Shutdowns / Meltdowns) gab es nur noch in extrem herausfordernden Situationen, davon war nur noch ein einziger mit einem Gewaltausbruch verbunden.
  • Das Limbische System scheint wieder besser zu arbeiten: Mehr selbständige Problemlösung, mehr Ideen, etwas mehr Motivation und Eigeninitiative, mehr Selbstreflexion, mehr Mut zur Durchsetzung der eigenen Bedürfnisse. Das gibt eine positive Verstärkung. Z. B. hat sich unser junger Mann – vorher absolut undenkbar – angewöhnt, jeden 2. Tag 30 Minuten auf seinem HomeTrainer zu radeln. Das macht er konsequent seit 6 Monaten. Die bessere körperliche Fitness und die Endorphine wiederum erzeugen mehr positive Energie, Lebendigkeit und Zuversicht.. und so die Fähigkeit, diese neue Selbstdisziplin auch weiter aufrecht zu erhalten. Hinzu kommt, dass diese regelmäßigen Termine zu mehr Struktur beitragen konnten.
  • Anstelle von Traurigkeit, Frust, Wut und Verzweiflung treten zunehmend tanzen, singen, pfeifen, schmusen, Umarmungen, andere trösten, selbstbewusste Momente, Gelassenheit und Zuversicht. Früher dauerten euphorische Phasen 3 Stunden und mündeten in einer Depression oder im Ausbruch. Heute bestimmt die gute Laune das Zusammenleben.

Ganz nebenbei kann man sich auch noch sicher sein, sich absolut gesund zu ernähren, was auch Auswirkungen auf den Körper, die Leistungsfähigkeit und die Lust am Leben hat.

Zusammenfassend kann man sagen, dass die Einführung der GFCF-Diät nur positive Effekte hatte, aber in Verbindung mit weiteren Änderungen im Alltag eines Autisten in Zusammenhang gesehen und durchgeführt werden sollte, um langfristig etabliert zu bleiben und Wirkung zu zeigen. Die Tatsache, dass sogar der Betroffene selbst die Diät dauerhaft fortführen möchte (obwohl er vor allem Burger, Pizza und Pasta liebt) und negative Schübe mit “Cheaten” in Verbindung bringt, spricht Bände!

Wer sich für weitere Aspekte rund um Neurodiversität interessiert, findet weiterführende Artikel unter be-fly-and-free.com.